MenschensBILDUNG
Karin & Svenka Kahl
99830 TREFFURT (D)

Mathematik lernen beim Plätzchenbacken

Erfolgsrezept bei Dyskalkulie und Mathe-Angst: Mathematik handelnd erfahren

Immer wieder begegnen uns junge Menschen, auf die Mathematik wie ein Schreckgespenst wirkt. Nicht immer ist eine Dyskalkulie für die Mathe-Angst verantwortlich, manchmal wurden einfach nur wichtige Lernschritte ausgelassen. Wie man Mathe-Angst vorbeugen und Kinder mit oder ohne Dyskalkulie im Familienalltag unterstützen kann, zeigt dieser Artikel.

Mathematik umgibt uns auf Schritt und Tritt im Alltag. Fast alles, was wir sehen, hören, anfassen bzw. bewegen können, lässt sich mit Hilfe von Zahlen und mathematischen Operationen beschreiben. Das ist nicht nur eine wichtige Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten, sondern auch für so alltägliche Tätigkeiten wie Kochen und Backen, Gärtnern, Basteln und Handwerken.

Zählen und Rechnen: bitte nicht erst in der Schule

Kinder bilden ein klares und stabiles Mengen- und Operationsverständnis aus, indem sie die Mathematik immer wieder handelnd erfahren. Je nach dem, wie ihre Wahrnehmungs- und Merkfähigkeit ist, gelingt ihnen das schneller oder langsamer.

Mathematik beginnt lange vor der Schule. Die Kinder beobachten, dass das Zählen von Gegenständen bedeutsam ist, damit es etwa beim Teilen eines Kuchens gerecht zugeht. So entsteht ein natürliches Interesse, das Zählen und Rechnen zu erlernen. Viele Eltern rühmen sich, dass die Kinder früh zählen können, aber sie wissen nicht, ob das Kind einfach nur die Zahlwortreihe nachspricht, oder ob es schon die Grundprinzipien des Zählens verstanden hat.

Manche Kinder wissen noch nicht, dass jedes Objekt genau 1x gezählt wird, dass es egal ist, von welcher Seite man zählt und dass 5 Mäuse genauso die Menge 5 repräsentieren wie 5 Elefanten. Wichtig ist auch, dass Kinder schon im Vorschulalter lernen, kleine Mengen (mindestens bis 5) quasi-simultan, also ohne Zählen, mit den Augen zu erfassen.

Auch das Wissen, dass eine Menge größer wird, wenn man Objekte dazugibt, und kleiner, wenn Objekte weggenommen werden, muss durch Handeln erfahren werden. Schließlich begreift das Kind irgendwann, dass man, um herauszufinden, wie viele Pferde im Stall sind, wenn zu den 4 dort stehenden 3 weitere hinzukommen, die Pferde nicht unbedingt vor sich sehen muss. Das Kind kann die Pferde auch zeichnen. Und es müssen nicht einmal Pferde sein, sondern es reicht, wenn das Kind für jedes Pferd einen Strich oder Punkt auf das Papier malt.

Wann brauchen Kinder ein Dyskalkulietraining?

Kommen Kinder zur Schule, bevor sie diese wichtigen Vorläuferfähigkeiten für das Rechnen beherrschen, kann es vorkommen, dass sie zunächst nicht auffallen, weil sie die Additions- und Subtraktionsaufgaben im Zahlenraum bis 20 einfach auswendig lernen. Irgendwann kommen sie mit dieser Strategie an ihre Grenzen und machen immer mehr Fehler. Für diese Kinder ist fatal, was ihren Altersgefährt*innen mit einem gut entwickelten mathematischen Verständnis entgegenkommt. Ich meine die Vielfalt der in der Grundschule unterrichteten Rechenwege und -strategien. Für Kinder, denen wichtige Grundlagen fehlen, wird so Mathe immer mehr zum Angstfach.

Wenn es bei deinem Kind schon so weit gekommen ist, suche am besten Beratung bei einer ausgebildeten Fachperson für Dyskalkulie. Es geht darum, zu ermitteln, wie genau das Kind denkt und rechnet, auf welcher Stufe der mathematischen Lernleiter es sich aktuell befindet, und mit welchen Schritten es weiterkommen kann. Nicht immer sind eine Diagnose und eine langjährige Förderung nötig.

Küche und Hobbykeller als Mathe-Labor

Egal ob Dyskalkulie oder nicht — du bist auch in Mathematik vor allem in den ersten 10 Lebensjahren deines Kindes sein/e wichtigste/r Lehrer*in! Damit du als solche/r einen guten Job machen kannst, gebe ich dir einige Tipps:

  • Beziehe dein Kind so oft wie möglich in alltägliche Verrichtungen und in deine Hobbys ein. Mache dir selbst bewusst, wo überall mathematische Fähigkeiten involviert sind. Achte darauf, ob dein Kind eigenständig Beobachtungen macht. Ansonsten zeige ihm, wo sich Mathematik verbirgt, bis es sie selbst finden kann. Dabei sollte die Entdeckerfreude im Vordergrund stehen.
  • Wenn möglich, lass das Kind mathematische Sachverhalte im wahrsten Sinn des Wortes selbst begreifen. Dafür eignet sich z.B. das Tischdecken. Dabei können schon Kinder ab ca. 3 Jahren helfen. So erkennen sie: „Aha, es sind immer wieder 4 Stück: 4 Tassen, 4 Teller, 4 Löffel…“
  • Kommentiere immer, was du tust, und beziehe das Kind in deine Überlegungen ein: „In der Montageanleitung steht, dass ich 8 Schrauben brauche, aber ich finde im Beutel nur 6. Lass uns ausrechnen, wie viele noch fehlen.“
  • Zeige, dass es für die Menge egal ist, was man zählt und in welcher Reihenfolge man zählt. Auch die Anordnung der Gegenstände ist egal. Wenn 7 Perlen bunt durcheinander liegen, sind es genauso 7 Perlen wie später, wenn sie auf einer Kette aufgefädelt sind. Dieses Wissen ist nicht selbstverständlich!
  • Beziehe dein Kind auch in Planungen ein. Zeichnet einen Grundriss vom Fußboden oder von eurem Beet im Garten und ermittelt zeichnerisch, wie viele Fliesen bzw. Pflanzen benötigt werden.
  • Überlegt, wie viele Paar Socken im Urlaub gebraucht werden. Wie viele braucht das Kind? Wie viele die gesamte Familie? Wie viele einzelne Socken sind das? Rechnet direkt mit den Socken auf dem Sofa. Beim nächsten Mal zeichnet für jede Socke einen Strich auf Papier (oder schreibt die Zahlen auf) und zählt beim Kofferpacken nach, ob ihr richtig gerechnet habt.
  • Was müsst ihr tun, wenn das Rezept für 4 Personen berechnet ist, aber nur für 2 gekocht werden soll?
  • Bitte sei nicht zu besorgt, wenn dein Kind langsamer lernt als Gleichaltrige. Mach einfach weiter.
  • Wenn dein Kind falsch rechnet, kritisiere es nicht, sondern lass dir zeigen, wie genau es gerechnet hat. Nur so kannst du erkennen, was es noch nicht verstanden hat. Solltest du dich dabei unsicher fühlen, suche am besten fachkundige Beratung.

So wird dein Kind — in seinem Tempo — immer mehr Mathematik verstehen.

Die Plätzchen-Mathematik

Eine besonders gute Gelegenheit, mathematische Konzepte zu verstehen, ist das Backen von Weihnachtsplätzchen. Natürlich dürfen es auch Brötchen oder Pralinen sein. Das Vorgehen kannst du auch auf Projekte außerhalb der Küche übertragen. Wichtig ist, dass Objekte in Reihen auf einer Fläche angeordnet werden.
Bei der Plätzchen-Mathematik kannst du Kinder mit unterschiedlich entwickelten mathematischen Fähigkeiten gleichzeitig gut fördern. Jedes Kind kann dabei seine Stärken zeigen und nebenbei neue Erkenntnisse mitnehmen. Das macht das gemeinsame Backen so wertvoll.

Und nun staune einmal, wie viel Mathematik (übrigens auch Deutsch, Sachkunde usw.) hinter dem Plätzchenbacken steckt:

  • Gute Vorbereitung ist alles. Ein Rezept muss her! Für wie viele Plätzchen reicht der Teig? Sind das genug für die ganze Familie? Müssen wir die Mengen vielleicht verdoppeln?
  • Welche Zutaten haben wir im Haus und was muss noch gekauft werden?
  • Welche Zutaten können wir abzählen, und welche müssen wir abwiegen? Wie schwer ist der fertige Teig? Wie schwer fühlt sich eine Kilotüte Mehl an?
  • Wie viel Kraft brauchen wir beim Kneten? Oder nehmen wir eine Maschine? Wie stark ist die Küchenmaschine? Wie viele Umdrehungen pro Minute schafft sie? Wie viel Strom verbraucht sie?
  • Wie dick rollen wir den Teig aus? Wie bringen wir die Ausstechformen möglichst platzsparend unter?
  • Wie viele Plätzchen passen auf das Blech? Ordnet sie in gleichmäßigen Reihen an, z.B. 5 Reihen mit jeweils 7 Plätzchen. Dabei kannst du deinem Kind zeigen, dass es egal ist, wie herum es auf die Reihen schaut bzw. von wo es anfängt zu zählen — die Menge der Plätzchen bleibt immer gleich.
  • Bevor ihr das Blech in den Ofen schiebt, kannst du noch mehr praktisch demonstrieren: nämlich, wie aus der Addition die Multiplikation entsteht. Malnehmen ist sozusagen Plusrechnen für Clevere. Durch Drehen des Bleches kannst du auch prima erklären, warum 5×7 dasselbe ist wie 7×5. Jedes Kind freut sich über die Nachricht, dass es beim Auswendiglernen des kleinen 1×1 schon einmal die halbe Arbeit sparen kann.
  • Wenn die Plätzchen fertig und abgekühlt sind, könnt ihr munter weiter rechnen. Ihr könnt die Plätzchen zählen und auf dem Tisch in Zehnerreihen anordnen. So können Kinder verstehen, dass ein neuer Zehner angefangen werden muss, wenn einer voll ist. Falls das für das Kind schwierig ist, finde mehrere gleiche Behältnisse, wo genau 10 Plätzchen hineinpassen.
  • Schließlich können die Plätzchen so auf die Familienmitglieder aufgeteilt werden, dass jeder die gleiche Anzahl bekommt. Das können schon kleine Kinder ausprobieren, indem für jede Person eine Schale aufgestellt wird, und das Kind immer der Reihe nach jeweils 1 Plätzchen in jede Schale legt. Geht die Zahl auf oder bleibt ein Rest? Was könnte man damit machen? So bereitest du sogar das Verständnis der Bruchrechnung vor. Und wie können wir die Plätzchen gerecht verteilen, wenn Oma und Opa mit zum Kaffee kommen? Was, wenn Mama gar keine Plätzchen mag oder wenn der große Bruder auf Klassenfahrt ist?
  • Ihr könnt die Plätzchen auch wiegen und das Gewicht mit dem des rohen Teiges vergleichen. Fortgeschrittene Rechner können die Plätzchen nach dem Körpergewicht der Esser verteilen oder mit Kalorien rechnen. Und natürlich lassen sich auf allen Niveaus kleine Rechengeschichten und Knobelaufgaben mit Plätzchen erfinden.

Wähle die Plätzchen-Mathematik immer nach den aktuellen Fähigkeiten der beteiligten jungen Menschen aus. Vermittle niemals alles auf einmal! Plätzchen kann man schließlich immer backen — nicht nur vor Weihnachten! Und natürlich ist die Plätzchen-Mathematik nur ein Beispiel dafür, wie du Kindern im Alltag mathematisches Verständnis nahebringen kannst.

Weitere Ideen für das Mathe-Üben im Familienalltag sind:

  • Einkaufen
  • Reise- oder Umzugsplanungen
  • Renovieren der Wohnung, Bauarbeiten aller Art
  • Anlegen, Bepflanzen und Beernten eines Gartens
  • ein Sammler-Hobby
  • gemeinsames Basteln
  • Beobachtungen und Statistik (z.B. auf langen Autofahrten Autos nach Marken oder Farben zählen, Zählen beobachteter Tiere oder gefundener Pflanzen, Steine, Muscheln etc.)
  • Handarbeiten
  • Modellbau
  • Rhythmen klopfen, nach Zählzeiten tanzen oder auf einem Instrument spielen
  • Würfel- und Kartenspiele

Bestimmt fällt dir noch viel mehr ein. Finde jeden Tag mindestens eine Gelegenheit, deinem Kind Freude an Mathematik zu vermitteln! Solange du mit diesen gemeinsamen Unternehmungen keine Verbesserung der mathematischen Fähigkeiten erreichst, hat es übrigens keinen Sinn, dass du mit ihm Rechenaufgaben aus der Schule übst. Du würdest nur mehr von dem tun, was dem Kind schon genug Misserfolge beschert hat. Schaffe stattdessen die Voraussetzungen, dass es die Aufgabenstellung buchstäblich immer besser begreifen kann.

Ich hoffe, dass ich dir ein paar wertvolle Anregungen geben konnte. Wenn du noch Fragen zum Thema Mathe-Angst oder Dyskalkulie hast, klicke gern oben rechts auf den WhatsApp-Button und sichere dir einen Beratungstermin. Oder kontaktiere mich auf deinem Lieblings-Kanal.