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MenschensBILDUNG
Karin & Svenka Kahl
99830 TREFFURT (D)

Neurodiversität braucht selbstbestimmte Bildung

Neurodiversität braucht selbstbestimmte Bildung

Unser Schulsystem verbaut immer mehr — vor allem neurodivergenten — jungen Menschen die Chance auf eine Bildung, die ihren Bedürfnissen und ihrer Begabung gerecht wird und ihnen eine aktive und selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Das Konzept der Neurodiversität lenkt unseren Fokus auf die Potenziale dieser Kinder und Jugendlichen und darauf, wie wir zu ihrer Entfaltung beitragen können!

Was ist und wozu brauchen wir Neurodiversität?

Die Soziologin Judy Singer prägte den Begriff “Neurodiversität”, um die menschliche Vielfalt zu beschreiben und abseits von Diagnosen gut miteinander umgehen zu können. Doch was ist damit überhaupt gemeint?

Menschen sind verschieden in Bezug auf:

  • Wahrnehmung
  • Denkweise
  • Exekutive Funktionen
  • Soziale Interaktion
  • Routinen, Rituale und Struktur
  • Sprachgebrauch / Kommunikation
  • Risikobereitschaft
  • Stresstoleranz und -verarbeitung

Das alles wirkt sich auf unsere Bedürfnisse und letztendlich auf unser Lernen, Arbeiten und Zusammenleben aus!

Neurodivers oder neurodivergent?

Dann gibt es noch den Begriff “Neurodivergenz”. Er ist enger gefasst, und dabei denkt man vor allem an ADHS und / oder eine Autismusspektrumsstörung. Manchmal werden auch Hochbegabung, Hochsensibilität und andere Besonderheiten mit einbezogen. Hier liegt die Betonung auf der Abweichung von der Norm bzw. darauf, positive wie negative Aspekte dieser Störungsbilder gleichermaßen im Blick zu haben.

Die genannten Diagnosen weisen einen großen Überlappungsbereich auf und verschwimmen daher immer mehr. Viele Betroffene haben gleich zwei oder noch mehr Labels. Außerdem gibt es bei allen Merkmalen und bei den Störungsbildern als solches ein Spektrum, und es ist schwer zu sagen, was einfach nur ein Persönlichkeitsmerkmal ist und was als Störung gilt oder Krankheitswert hat.

Generell wird unterschieden zwischen neurodivergenten und neurotypischen Menschen. Das hat in manchen Kontexten seine Berechtigung, um die vorhandene Bandbreite zu veranschaulichen. Es hilft auch vielen Menschen, sich nicht mehr falsch zu fühlen und erklärt anderen, die näher am Durchschnitt sind, dass ihre Wahrnehmung und ihre Art des Denkens nicht die einzig richtigen sind.

Wir alle sind neurodivers!

Wir verwenden da, wo es möglich ist, den Begriff “Neurodiversität”, weil er einen wertfreien, verbindenden und integrierenden Charakter hat und niemanden außen vor lässt. Wir alle sind neurodivers, und das ist auch gut so! Erst mit dieser Haltung wird echte Inklusion möglich!

Mit stigmatisierenden, pauschalisierenden und oft falschen oder unvollständigen Diagnosen geben wir den betroffenen Menschen die Schuld am Misslingen der herrschenden Monokultur im Schulsystem und in der Arbeitswelt. Wenn Diagnosen gestellt werden, geschieht das oft deshalb, weil Kinder sich nicht an das künstlich geschaffene Setting in der Schule oder Kita anpassen können, während sie in für sie passender Umgebung keinerlei Leidensdruck haben. Mit der Pathologisierung stellen sich jedoch auch außerhalb der Schule immer mehr Symptome ein. Die Energie folgt unserer Aufmerksamkeit, und die Zuschreibung einer Störung kann sehr suggestiv wirken.

Eine Gesellschaft im Burnout?

Mittlerweile gibt es diese Tendenz auch bei Erwachsenen. Der Stress im Beruf und Familienalltag nimmt immer mehr zu, die Informationsflut, die wir täglich bewältigen müssen, wird immer größer, und vielfältige Krisen haben die gesamte Gesellschaft heftig durcheinandergewirbelt und verbreitet für Existenzängste gesorgt.

Dazu kommen Ernährungsfehler, Bewegungsarmut und Umweltgifte. Deshalb entdecken immer mehr Erwachsene bei sich Symptome, die für ADHS und/oder Autismus typisch sind, denn sie sind alle Ausdruck einer Überforderung des Gesamtsystems. Depressionen und Burnout sind häufige Folgeerkrankungen. Das betrifft inzwischen so viele Menschen, dass man auf eine Diagnose sehr lange warten muss. Oft zu lange.

Während Erwachsene, die rechtzeitig spüren, dass etwas in ihrem Leben falsch läuft, „aussteigen“ und überfordernde oder für sie sinnlose Jobs aufgeben dürfen, um ihre Berufung zu leben, werden Kinder gezwungen, 10 und mehr Jahre in einem Schulsystem auszuharren, dass immer mehr von ihnen nicht nur das Recht auf Bildung verwehrt, sondern auch ihre Gesundheit und ihren Selbstwert nachhaltig schädigt, indem es ihnen einen dauerhaften Überlebenskampf abverlangt, der das Lernen und die Potenzialentfaltung verhindert.

Immer mehr Diagnosen

Statistiken weisen aus, dass etwa 20% der jungen Menschen psychische Auffälligkeiten zeigen. Diese Zahl stammt noch von vor der Corona-Krise und entspricht (zufällig?) dem Anteil von neurodivergenten Kindern und Jugendlichen. Sehr viele von ihnen nehmen ihre Passungsprobleme aus der Schule mit in Lehre, Studium und Beruf und glauben ein Leben lang, „falsch“ und einfach nicht gut genug zu sein. Ein Lebenslauf, der von vielen Umbrüchen, Burnouts, Depressionen und sozialer Unsicherheit gekennzeichnet ist, ist damit vorprogrammiert.

Wenn wir jedes 5. Kind pathologisieren, entsteht ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden, von den Auswirkungen auf den Einzelnen und seine ganze Familie ganz zu schweigen! Wollen wir eine Gesellschaft von psychisch kranken und ausgebrannten Menschen oder wollen wir jedem die Chance geben, gesund zu bleiben und seinen Platz zu finden?

Immer mehr Druck für die Eltern

Bei all dem dürfen wir auch diejenigen nicht vergessen, die mit den betroffenen Menschen zusammen leben und arbeiten. Eltern fühlen sich als Versager: überfordert, unverstanden und schuldig. Sie trauen sich irgendwann nicht mehr, offen über die Erfolge und Herausforderungen ihrer Kinder zu sprechen, und ziehen sich zurück. Manche Familien zerbrechen auch, weil ein Elternteil sich bedingungslos auf die Seite des Kindes stellt und der andere kein Verständnis aufbringen kann.

Pädagogische Fachkräfte leisten immense Mehrarbeit, bilden sich fort und fühlen sich trotzdem allein gelassen mit der Aufgabe, alle jungen Menschen „passend zu machen“. Ärzt/innen und Therapeut/innen können dem Ansturm nicht mehr gerecht werden und sehen sich hohen Regressforderungen für verordnete Therapien und Druck von Seiten der Krankenkassen und Behörden ausgesetzt. Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung stehen vor der Herausforderung, immer mehr junge Menschen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit ins Berufsleben zu integrieren.

Wenn wir alle Menschen mit Passungsproblemen pathologisieren, vergeuden wir die Potenziale von 20% der Bevölkerung! Gerade diese Persönlichkeiten sind es, die wegen ihrer besonderen Bedürfnisse den Status quo hinterfragen und mit Hilfe ihrer hohen Intelligenz und Kreativität wertvolle Innovationen für uns alle auf den Weg bringen können. Letztendlich sind neurodivergente Menschen eine Art Seismograph, weil sie ungesunde Entwicklungen in der Gesellschaft zuerst spüren und anzeigen, dass etwas falsch läuft.

Neurodiversität ermöglicht einen wertschätzenden Umgang mit Andersartigkeit und besonderen Bedürfnissen. Niemand kann seinem Gegenüber ins Gehirn schauen, und deshalb hat niemand das Recht, Wahrnehmungen oder Gedanken anderer Menschen abzuwerten, sie als gestört oder dumm anzusehen! Jeder Mensch bringt einzigartige Begabungen mit auf diese Welt, und die Aufgabe von Bildung ist es, diese zu entdecken und zum Wohl der Allgemeinheit zu entwickeln. Wenn wir uns auf Augenhöhe austauschen, ist gelebte Neurodiversität eine Bereicherung für alle!

Das Schulsystem überfordert die Anpassungsreserven

Indem wir an alle jungen Menschen eines Jahrgangs dieselben Anforderungen stellen und sie bis zum 18. Lebensjahr zwingen, sich in einem hierarchischen Setting unter vielen Gleichaltrigen zu behaupten, nehmen wir vielen von ihnen die Chance, ihr Potenzial zu zeigen und zu entfalten.

Viele Stunden des Tages in einer reizüberfluteten Umgebung stillzusitzen und sich mit „Stoff“ zu beschäftigen, der entweder längst beherrscht wird, noch zu schwer oder überhaupt nicht von Interesse ist, bindet viel Energie, die von anderen wichtigen Entwicklungsbereichen abgezogen wird. Kinder haben von Natur aus ein Gespür für das, was sie brauchen, um gesund zu bleiben und zu lernen, aber wir ignorieren es und trainieren ihnen an, ihre Bedürfnisse zu unterdrücken und sich anzupassen.

Wenn ein Erwachsener nicht im Akkord in einer lauten Werkhalle oder in einem Großraumbüro arbeiten kann, weil die vielen Sinneseindrücke sein sensibles Nervensystem überfordern, hat er die Möglichkeit, eine für ihn besser passende Tätigkeit zu finden. Für Menschen unter 18 gibt es jedoch kein Entrinnen, und wer nicht passt, landet in der Psychiatrie. Im Medizinbetrieb werden die Lösungen gesucht, die unser sogenanntes Bildungssystem nicht bietet.

Immer mehr Familien im Überlebens-Modus

Was wäre aus einem Mozart geworden, wenn er 12 Jahre in unserem heutigen Schulsystem mit all seinen Fächern, Hausaufgaben und Leistungsdruck gefangen gewesen wäre, statt sich in einem für ihn förderlichen Umfeld zu bewegen und jederzeit musizieren zu dürfen?

Immer mehr junge Menschen fallen im Schulsystem durch das Raster, der Unterricht à la “one size fits all” macht sie krank und raubt ihnen die unbeschwerte Kindheit und Jugend. Der Wechsel zwischen unpassenden Schulen, Psychiatrie und manchmal sogar Kinderheim oder Pflegefamilie macht viele zu Systemsprengern und sorgt dafür, dass sie auch als Erwachsene Schwierigkeiten haben, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden!

Auch Eltern werden mit nutzlosen “guten Ratschlägen” überhäuft, stigmatisiert und an die Grenzen ihrer Kräfte gebracht. Manche Eltern werden sogar kriminalisiert, nur weil sie ihren Kindern helfen, so gesund wie möglich aufzuwachsen und ihr Recht auf Bildung wahrzunehmen!

Wie lange noch müssen Familien unter dem Radar leben oder Deutschland verlassen, weil für ihre (in vielen Fällen) hochbegabten Kinder kein Platz im Schulsystem ist und die für sie passenden Bildungswege illegal oder nicht verfügbar sind?

Respekt, Vertrauen, Augenhöhe und Eigenverantwortung sind die Lösung!

Freilerner, mutige Menschen, die an ihre Kinder glauben, zeigen immer mehr, dass Bildung ohne Schulzwang für manche jungen Menschen die bessere Wahl ist.

Schulformen ohne ungefragte Bewertung und ohne Stundenplan, die es zum Glück auch bei uns gibt, ermöglichen vielen Kindern, die jenseits der Norm sind, ein gesundes Aufwachsen. In diesen Schulen werden ihre sozialen Fähigkeiten, das eigenständige Denken und Lernen, die Übernahme von Verantwortung für ihr Verhalten und all die heute so gefragten Softskills in besonderer Weise gefördert. Außerdem wird ein Raum gehalten, wo die jungen Menschen sich ausprobieren und auch Interessen verfolgen können, die in keinem Lehrplan stehen.

Manche neurodivergenten jungen Menschen benötigen dagegen eher Ruhe zum Lernen, dafür aber mehr Struktur und Vorgaben, um sich nicht zu verlieren. Für sie kann eine Online-Beschulung die Rettung sein. Die Pandemie hat gezeigt, wie sehr diese Schüler/innen davon profitiert haben. Warum werden sie jetzt wieder in die Schule gezwungen, wo es ihnen sichtbar schlechter geht und die Lernerfolge ausbleiben? … und warum nicht echtes Homeschooling (in Verantwortung der Familie), wie es in fast allen Ländern dieser Erde völlig normal ist? Genau das wünschen sich viele engagierte Eltern für ihre Kinder auch bei uns.

Innerhalb des staatlichen Schulsystems kann ein veränderter pädagogischer Blick verhindern, dass junge Menschen schon frühzeitig demotiviert oder sogar aussortiert werden. Lehrkräfte, die ihren Schüler/innen vertrauen, ihre besondere Art der Wahrnehmung und des Denkens respektieren, Augenhöhe wagen und sie in die Eigenverantwortung begleiten, können das ganze Leben neurodivergenter junger Menschen überaus positiv beeinflussen. Außerdem verbessern sie damit das Schulklima und erleichtern sich selbst die Arbeit. Gelebte Neurodiversität kommt letztlich allen Akteuren zugute, der Schulgemeinschaft wie den Familien!

Bildungs-Vielfalt tut dringend Not!

Die Vielfalt an menschlichen Persönlichkeiten muss endlich auch zu einer Vielfalt an möglichen Bildungswegen führen! Nur so kann jeder Mensch am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sich mit seinen Fähigkeiten einbringen!

Wie viele Probleme und Kosten könnten wir uns als Gesellschaft sparen, wenn wir Bildung vom Menschen aus denken und individuelle Lösungen zulassen würden! Das wäre nicht nur ein Segen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, sondern auch eine große Entlastung für das Schulsystem und den Medizinbetrieb. Die gesamte Gesellschaft würde von mehr Toleranz profitieren und nicht zuletzt von den oftmals herausragenden Leistungen, zu denen neurodivergente Menschen in einem für sie passenden Umfeld in der Lage sind.

Wenn du einmal als Elternteil oder Lehrkraft nicht weißt, wie du junge Menschen mit Passungsproblemen im Schulsystem unterstützen kannst, klicke oder tippe einfach auf den WhatsApp-Button rechts oben auf dieser Seite und sichere dir deinen Beratungstermin per Telefon oder Zoom. Oder kontaktiere uns auf deinem Lieblings-Kanal.