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MenschensBILDUNG
Karin & Svenka Kahl
99830 TREFFURT (D)

Schule der Zukunft

Wie die Schule der Zukunft aussehen sollte

Was braucht es, damit die Schule der Zukunft dem Anspruch, jungen Menschen eine zeitgemäße Bildung zu ermöglichen, gerecht wird?

Dina Mazotti von begabt und glücklich hat zu einer Blogparade unter dem Titel „Wunschzettel an die Schule“ eingeladen, und da bin ich sehr gern dabei!

Schulsystem wie vor 300 Jahren

Unsere Schulen wurden einst erdacht nach dem Vorbild von Kirche, Militär und später dem Fließband in der Fabrik. Strukturell hat sich seit der Einführung der Schulpflicht in Preußen im Jahr 1717 durch Friedrich Wilhelm I. erschreckend wenig geändert.

Im Schulgesetz von Berlin lesen wir in § 3 Absatz 3: Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schülerinnen und Schüler insbesondere befähigen,


1. die Beziehungen zu anderen Menschen in Respekt, Gleichberechtigung und gewaltfreier Verständigung zu gestalten sowie allen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

7. die Folgen technischer, rechtlicher, politischer und ökonomischer Entwicklungen abzuschätzen sowie die wachsenden Anforderungen des gesellschaftlichen Wandels und der internationalen Dimension aller Lebensbezüge zu bewältigen.

9. ihr zukünftiges privates, berufliches und öffentliches Leben in Verantwortung für die eigene Gesundheit und die ihrer Mitmenschen auszugestalten, Freude am Leben und am Lernen zu entwickeln sowie die Freizeit sinnvoll zu nutzen.

Auch wenn in sämtlichen Schulgesetzen ähnlich hehre Ziele formuliert sind, sind wir von deren Umsetzung Lichtjahre entfernt. Wilhelm von Humboldt würde sich im Grab herumdrehen, wenn er diese Entwicklung sehen könnte, denn mit Bildung haben die Zustände an unseren Schulen wenig zu tun.

Immer noch meinen Erwachsene, von ihren Schreibtischen aus entscheiden zu können, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den kommenden Jahrzehnten relevant sein werden. Wenn wir uns fragen, wie viel von dem, was wir heute täglich wissen und tun müssen, wir in der Schule gelernt haben, wird der Wirkungsgrad von Zwangsbeschulung deutlich.

Angesichts der rasanten gesellschaftlichen Entwicklung und der exponentiellen Zunahme des Weltwissens erscheint mir allein der Gedanke, man könnte Kindern Wissen auf Vorrat sozusagen einimpfen, völlig absurd.

Was macht die Schule mit unseren Kindern, Lehrern und Familien?

Die Erkenntnisse der Psychologie und Hirnforschung werden geflissentlich ignoriert und der Schüler immer noch als zu optimierendes Objekt von Pädagogik gesehen. Ein ausgeklügeltes System an Belohnungen und Bestrafungen soll dazu dienen, dass viele die Erwartungen erfüllen. Wer sich nicht in das enge Schema einpasst, wird pathologisiert.

Kinder werden wie Pakete in Schulen geschickt, auch wenn sie dort bereits Schaden an ihrer Gesundheit genommen haben. Zwang erzeugt Angst und lähmt damit unsere höheren Denkfunktionen und schadet unserer Lebensqualität. Ganze Familien leben ständig in Zukunftsangst und Stress, und eine ganze Industrie beschäftigt sich damit, kaputte junge Menschen zu reparieren.

Aus Lehrern werden Unterrichtsvollzugsbeamte, die sich ständig am Rand des Burnout bewegen, und denen, die ihren Beruf mit Liebe und Hingabe ausüben, wird das Leben schwer gemacht.

Unsere Schulen produzieren viel zu viele gleichgültige Befehlsempfänger, die an der weiteren sinnlosen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen auf dem Planeten Erde mitwirken, als gäbe es kein Morgen.

Von überall kommen Vorschläge und Anregungen, wie man das Schulsystem verbessern kann, aber solange der Leidensdruck aller Akteure an der Basis nicht bei den Entscheidungsträgern ankommt, wird sich in der Breite nichts tun. Daran ändern auch ein paar gute Ansätze an einigen Vorzeigeschulen nichts.

Ein wackelndes Haus kann man nicht reparieren, wenn das Fundament schon aus dem falschen Material besteht.

Das Schulsystem von Grund auf neu erfinden!

Um eine Schule zu haben, die tatsächlich jedem jungen Menschen und uns allen als Gesellschaft nützt, müssen wir sie vollkommen neu erdenken.

Dabei gilt es, die drei folgenden Ausgangspunkte zu beachten:

  • Welche Potenziale bringen junge Menschen mit auf die Welt? Wie können wir sie zur Entfaltung bringen?
  • Welche Bedürfnisse sind jedem einzelnen Menschen angeboren? Wie können wir als menschliche Gesellschaft überleben und uns weiterentwickeln?
  • Was braucht es, um die existenziellen Probleme der Menschheit und unseres Planeten Erde zu lösen? Welche Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen Menschen haben, die dazu in der Lage sind? Wie können wir unseren Kindern ermöglichen, diese zu erwerben?

Dazu notiere ich im folgenden einige Gedanken.

Leben ist Lernen

Jeder Mensch kommt — wie im übrigen alle Lebewesen — mit der Fähigkeit und dem Wunsch zur Welt, aus eigenem Antrieb und selbstgesteuert zu lernen. Wir müssen Babys nicht im Laufen und Sprechen unterrichten, nein, es genügt, ihnen eine sichere und anregende Umgebung zu schaffen, wo sie es von uns abschauen und im eigenen Tempo lernen können.

Schon ganz kleine Kinder kommen von selbst auf uns zu, wenn sie sich gezielte Unterstützung von uns wünschen. Wir können sie auch anbieten, aber sollten die Entscheidung beim Kind lassen. Wir dürfen unseren Kindern vertrauen, denn die richtigen Lernprozesse sind tief in unserem menschlichen Wesen angelegt.

Im sogenannten Vorschulalter setzt sich das selbstbestimmte Lernen fort. Kinder erwerben rasend schnell und mit Freude Fähigkeiten, die ihnen eine immer größere Autonomie ermöglichen. Wenn wir ihre Impulse aufgreifen, Fragen beantworten und sie an unserem Alltag teilhaben lassen, tun wir genug, damit ihr Lernbedürfnis befriedigt wird. Was veranlasst uns zu der Annahme, dass diese Art zu lernen mit dem 6. Lebensjahr zwangsläufig ein Ende haben muss?

Warum und wie lernen wir eigentlich?

Lernen geschieht ständig, wenn wir uns mit unserer Lebensumwelt auseinandersetzen und mit ihr interagieren, mit dem Ziel, unsere Bedürfnisse nach Sicherheit, nach Zugehörigkeit und Bindung sowie nach Autonomie zu erfüllen.

Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass wir Menschen am besten lernen,

  • wenn wir von etwas begeistert sind
  • wenn ein Thema für uns bedeutsam ist
  • wenn wir uns sicher in einer Gemeinschaft aufgehoben fühlen
  • wenn wir Vorbilder haben, an denen wir uns orientieren können
  • wenn wir frei von Angst, Druck und ungefragter Bewertung sind
  • wenn wir uns Aufgaben stellen dürfen, die knapp über unserem derzeitigen Fähigkeitsniveau liegen und dadurch Selbstwirksamkeit erfahren
  • wenn wir Anerkennung und Wertschätzung bekommen und
  • wenn wir uns als Gestalter unseres Lebens wahrnehmen

All diese Erkenntnisse sollte eine gute Schule umsetzen. Dazu müssen sich die Rollenbilder und das Beziehungsgefüge grundlegend ändern!

Die Schule der Zukunft

Lehrer werden zu Lernbegleitern

Wir dürfen die Verantwortung für das Lernen an die jungen Menschen zurückgeben und sie dabei beobachten. Wenn sie unser Vertrauen spüren, werden sie von selbst unsere Hilfe einfordern, wenn sie diese benötigen. Aufgabe eines Lehrers sollte es sein, darüber zu wachen, dass für jeden einzelnen Schüler die oben genannten Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen erfüllt sind. Zudem sorgt er für die Bereitstellung der benötigten Ressourcen und Strukturen und greift moderierend ein, wenn junge Menschen ihre Konflikte noch nicht allein lösen können.

Schüler werden zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten

Wenn Kinder selbst entscheiden dürfen, was, wann, wie, wo, mit wem und von wem sie lernen dürfen, erhalten wir ihre angeborenen Lernfähigkeiten und ihre intrinsische Motivation. Sogenannte pädagogische Maßnahmen erübrigen sich und alle Beteiligten können entspannt miteinander umgehen.

Eltern sind die wichtigsten Mentoren ihrer Kinder

Viel zu lange haben wir die Verantwortung für die Bildung unserer Kinder, vor allem für die Inhalte und den Zeitplan, an die Schule abgegeben. Spätestens seit Corona ist klar, wie sehr wir als Eltern beeinflussen können, wie erfolgreich unser Kind lernt. Die Familie ist und bleibt der primäre Lernort junger Menschen. Auch Geschwister, Großeltern und andere vertraute Personen spielen eine große Rolle.

Wir kennen unsere Kinder am besten. Wir wissen, welche Stärken und Interessen sie haben, was sie begeistert und motiviert. Indem wir sie als gleichwürdige Familienmitglieder in unser gesamtes Leben einbeziehen und ihnen unsere Werte vorleben, bauen wir ein sicheres Fundament für ihr eigenständiges Leben.

Die Arbeitsbedingungen in der Schule lassen es kaum zu, dass Lehrkräfte unsere Kinder außerhalb des eng gesteckten Rahmens von Lehrplan und Klassenstruktur kennenlernen. Dabei hat ihre Persönlichkeit so viele tolle Facetten, die gesehen werden wollen!

Die Schule muss die Rolle der Eltern endlich wieder anerkennen. Lehrer und Eltern müssen sich auf Augenhöhe begegnen und vertrauensvoll Informationen austauschen. Nur so können Schule und Elternhaus effektiv zum Wohl unserer Kinder zusammenarbeiten.

Wie sieht eine ideale Lerngemeinschaft aus?

Wir dürfen den Kindern auch zutrauen, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen. Das geschieht, indem wir heterogene Lerngemeinschaften aufbauen, wo die „Kleinen“ von den „Großen“ lernen können, wo Augenhöhe herrscht und sich jeder einbringen kann.

Erwachsene leben Werte wie Respekt, gegenseitige Rücksichtnahme, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft vor und moderieren die Aufstellung gemeinsamer Regeln für die Gruppe. Wer diese Regeln nicht einhält, erfährt sinnvolle Konsequenzen, die ihm ermöglichen, ein verantwortungsvolles Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Regeln werden dann verändert, wenn sie für einen Großteil der Gruppe nicht mehr zielführend sind.

Was sollen Schüler lernen?

Aus dem oben Geschriebenen folgen schon die grundlegenden Werte, die Schule nach meiner Ansicht leben und dadurch vermitteln sollte:

  • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
  • Vertrauen in andere Menschen und die Welt an sich
  • Respekt und Wertschätzung für alle Mitmenschen und die gesamte Natur
  • Eigenverantwortung in allen Bereichen
  • Engagement für die Gemeinschaft
  • Ehrlichkeit
  • Authentizität
  • Akzeptanz von und Mut zur Vielfalt

Die Fähigkeiten, die wir brauchen, um unsere Zukunft meistern zu können, sind nach meiner Erfahrung vor allem folgende:

  • Team- und Beziehungsfähigkeit
  • Kreativität und Problemlösekompetenz
  • Selbstmanagement
  • eigenständige Wissensaneignung
  • Überprüfen und Bewerten von Informationen
  • Überprüfen und Bewerten der eigenen Arbeit
  • Kooperation und Kollaboration
  • Flexibilität und Durchhaltevermögen

All das können Schüler an selbst gewählten Projekten lernen, wenn sie das vorfinden, was der amerikanische Entwicklungspsychologe und Bildungsforscher Peter Gray als die

6 Rahmenbedingungen für eine gelingende selbstbestimmte Bildung

herausgearbeitet hat:

  • Eigenverantwortung der jungen Menschen für ihre Bildung
  • unbegrenzte Zeit zum freien Spielen
  • Gelegenheit, mit den wichtigsten Werkzeugen der Kultur zu spielen
  • freie Altersmischung
  • sichere, wertschätzende Lerngemeinschaften
  • unterstützende erwachsene Vorbilder

Wenn dir das alles zu weit ab von der gelebten Schulkultur erscheint, dann schau dir einmal demokratische Schulen an, falls du das Konzept noch nicht kennst.

Empfehlenswert ist auch der Film „Schools of Trust“ von Christoph Schuhmann.

Du siehst also, dass wir das alles sofort überall umsetzen könnten. Aber wie ich weiter oben schon schrieb, die Veränderung wird nicht von den Schreibtischen der Bildungspolitiker ausgehen.

Deshalb kommt es auf dich an. Was tust du heute, um unseren Kindern bzw. Schülern ein gesundes Aufwachsen und eine zeitgemäße Bildung zu ermöglichen und dadurch die Menschheit und unseren Planeten zu retten?


Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun,
dann werden sie das Gesicht der Welt verändern.

— afrikanisches Sprichwort

1 Kommentar zu „Wie die Schule der Zukunft aussehen sollte“

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