Haben alle hochbegabten Kinder herausragende Leistungen in der Schule?
Immer noch ist die Annahme weit verbreitet, dass nur die jungen Menschen (hoch-)begabt sind, die auch in der Schule besonders erfolgreich sind. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Begabung ein Potenzial ist, das viele Faktoren benötigt, um sich entfalten zu können. Sind diese ungünstig, kann es zum Underachievment kommen.
Was ist Underachievment überhaupt?
Mit dem Begriff Underachievment (oder erwartungswidrige Minderleistung) beschreiben wir ein Phänomen, bei dem die schulischen Leistungen weit unter dem liegen, was auf Grund der Intelligenz (bzw. des IQ) möglich wäre. Es gibt unterschiedliche Definitionen, ab welcher Abweichung man diesen Begriff verwendet. Somit weichen auch die Angaben, wie hoch der Anteil an Underachiever*innen bei hochbegabten Schüler*innen ist, stark voneinander ab. Sie reichen von 10 – 15% bis zu einem Drittel und mehr. Gerade diese jungen Menschen brauchen unsere Unterstützung, weil die Schule ihren Lernbedürfnissen offenbar nicht gerecht wird.
Ohne Selbstwirksamkeitserfahrung keine Leistungsmotivation
Der Grundstein für Underachievment wird meistens in der Grundschule, manchmal bereits im Kindergarten gelegt, vor allem da, wo die Kinder strikt nach Jahrgängen sortiert werden und alle dieselben Aufgaben bekommen. Nachdem hochbegabte Kinder ihren Altersgefährt*innen kognitiv und teilweise auch auf anderen Gebieten um Jahre voraus sind, stellen diese Aufgaben für sie keinerlei Herausforderung dar. Sie haben daher keine Chance, daran zu wachsen und zu erfahren, dass sie durch Anstrengung etwas schaffen können. Wichtige Exekutivfunktionen des kindlichen Gehirns — z.B. die Ausdauer, die Handlungsplanung oder die Frustrationstoleranz — können sich so nur unzureichend entwickeln.
Die gute Note bzw. das Lob der Erzieher*in oder Lehrkraft sind selbstverständlich und werden nicht auf das eigene Bemühen zurückgeführt. Die Anstrengungsbereitschaft, die Willenskraft und die Ausdauer können bei diesen Kindern nicht im selben Maß trainiert werden wie bei Gleichaltrigen. Selbstwirksamkeitserfahrungen setzen Aufgaben voraus, die knapp über dem liegen, was das Kind bereits kann. Im Extremfall haben Hochbegabte erst als Erwachsene die Chance, sich selbst solche Aufgaben zu stellen!
Kinder, die immer als erste fertig sind, bekommen häufig noch Zusatzaufgaben, die ähnlich und ebenfalls viel zu einfach sind, wodurch ihre Bereitschaft, sich anzustrengen, nochmals sinkt. Wo es nichts Neues zu entdecken gibt und wirkliche Erfolgserlebnisse ausbleiben, geht die Lernfreude verloren.
Beim Arbeiten an stupiden Aufgaben fällt es hochbegabten Kindern schwer, den Fokus zu behalten. Man kann das vergleichen mit einem Motor, der bei zu niedrigen Drehzahlen stuckert. Das führt zu gedanklichem Abschweifen und Schusselfehlern, verleitet Lehrkräfte dazu, noch mehr Wiederholungen zu verlangen, bis das Kind keine Fehler mehr macht. Damit wird das Problem lediglich verstärkt, es kommt zu noch mehr Flüchtigkeitsfehlern, und die Motivation den Kindes geht endgültig in den Keller. Schnell stehen dann Vermutungen wie ADHS im Raum, weil das Kind sich ja “nicht konzentrieren kann”.
Underachievment entsteht durch chronische Unterforderung
Viele Kinder reagieren auf viel zu einfache Aufgaben mit Verweigerung und werden deshalb mit allerlei pädagogischen Maßnahmen bedacht, von Belohnungsplänen über Elterngespräche, Nachsitzen, Strafarbeiten, schlechte Verhaltensnoten bis hin zur Note 6 für jede nicht erledigte Aufgabe und sogar das Verweigern der Versetzung.
Die Zeugnisse fallen dann entsprechend aus, und dem Kind wird eine begabungsgemäße weitere Beschulung verweigert. Für die Folgen der ignorierten Hochbegabung und / oder nicht erfolgten Förderung werden die Kinder verantwortlich gemacht. Sie und ihre Eltern müssen oft die gesamte Schullaufbahn hindurch darunter leiden.
Auch junge Menschen, die sich nach außen hin erfolgreich anpassen, verlernen, ihre vorhandenen Potenziale zu nutzen und zu zeigen, was sie können. Viele von ihnen können sich – wenn überhaupt – erst später als Erwachsene aus dieser Negativspirale befreien.
Die Förderung hochbegabter junger Menschen ist im Sinne der Bildungsgerechtigkeit!
Hochbegabte Kinder und Jugendliche sind nicht nur Gleichaltrigen kognitiv voraus, sondern sie entwickeln sich auch schneller. Werden sie nicht entsprechend gefördert, geht die Schere zwischen ihrem kognitiven Potenzial und den Leistungen, die sie zeigen dürfen, immer weiter auf. Das hat nicht nur fatale Folgen für die Leistungsmotivation, sondern auch für das Selbstbild und die gesamte psychische Gesundheit.
Niemand käme auf die Idee, ein durchschnittlich begabtes Kind 12 Jahre auf eine Schule für sogenannte “geistig Behinderte” zu schicken. Aber von einem hochbegabten Kind werden dieselben Anpassungsleistungen an Kinder, deren IQ im Schnitt um mindestens 30 Punkte niedriger liegt, wie selbstverständlich erwartet.
Einige Kinder, meistens Mädchen, reagieren auf die Unterforderung mit Überanpassung, weil ihnen das Dazugehören wichtiger ist als der eigene Lernfortschritt. Aber auch sie können früher oder später zu Underachieverinnen werden, wenn sich zur chronischen Unterforderung weitere Probleme gesellen.
Wann können auch leistungsstarke Schüler*innen ins Underachievment abrutschen?
Viele hochbegabte Schüler*innen erleben irgendwann, oft nach dem Übertritt auf das Gymnasium oder auf die Oberstufe, eine schulische Durststrecke, in der sich ihre Noten rapide verschlechtern. Das liegt daran, dass sie bis dahin ihre schulischen Leistungen ohne jegliche Anstrengung abrufen konnten und ihnen geeignete Lern- und Arbeitsstrategien völlig fehlen. Sie wissen vielleicht nicht, wie man sich Notizen macht, wie man sich Fakten einprägt, wie man einen Rechenweg notiert, einen Text auf Fehler überprüft oder sich auf eine Leistungskontrolle vorbereitet.
Die Noten — und in der Folge das Selbstbild und die Leistungsmotivation – befinden sich in dieser Phase oft geradezu im freien Fall. Je früher junge Menschen in dieser für Hochbegabte typischen Leistungskrise professionelle Hilfe von einem Coach bekommen, desto besser sind ihre Chancen, letztlich nicht im Underachievment zu landen.
Ist ein/e Schüler*in einmal im Underachievment, kann sich die Situation durch das normale relative Desinteresse an schulischen Dingen in der Pubertät noch verschärfen. Zusätzlich verstärkt sich von Jahr zu Jahr der Druck von Seiten der Schule auf die gesamte Familie.
Nachdem gerade in dieser Zeit die Weichen für den weiteren Bildungsweg bzw. den Start ins Berufsleben gestellt werden, müssen Underachiever*innen meistens einige Umwege in Kauf nehmen, ehe sie ihr Potenzial entfalten können oder eine Tätigkeit finden, die sie erfüllt. Dabei ist ihre Lebensqualität über Jahre weit unter dem, was möglich wäre. Deshalb ist ein Coaching für Underachiever besonders wertvoll.
So kommen Underachiever*innen zurück in die Erfolgsspur
Coaches und Berater*innen brauchen bei Underachievern viel Fingerspitzengefühl und Kenntnisse über die Besonderheiten hochbegabter Menschen. Es geht darum, ein realistisches Selbstbild zu stärken und die Eigeninitiative zu wecken. Oftmals müssen auch ein Wechsel der Schulform oder andere große Veränderungen in die Wege geleitet werden.
Wir von MenschensBILDUNG bieten hier eine breite Palette von Tools aus dem Life- und Lerncoaching an. Gemeinsam mit unseren jungen Klient/innen entdecken wir Potenziale, Stärken und Erfahrungen, auf denen wir aufbauen können, arbeiten an zusätzlichen Herausforderungen (z.B. Mobbing), formulieren Ziele, bauen Ressourcen auf und begleiten die Umsetzung. Natürlich beziehen wir auch das Umfeld des Jugendlichen mit ein und schlagen praktikable Lösungen vor. Bei hartnäckigen Blockaden können wir mit Hilfe des Hypnosecoachings direkt das Unterbewusstsein ansprechen, um die unterstützenden Glaubenssätze, die der junge Mensch für sich als richtig erkannt hat, zu verankern und die Umsetzung zu erleichtern.
Wenn dein Kind Underachiever*in ist, komm gern in unsere Facebook-Gruppe für Eltern von Kindern mit Passungsproblemen im Schulsystem. Dort tauschen wir uns regelmäßig darüber aus, wie du deinem Kind die Freude am Lernen erhalten und verhindern kannst, dass es ins Underachievment abrutscht. Natürlich stehen wir dir auch jederzeit für ein Beratungsgespräch zur Verfügung. Klicke einfach oben rechts auf den WhatsApp-Button oder schreibe uns auf deinem Lieblings-Kanal an, um dir deinen Termin zu sichern.
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